Eine andauernde Aufarbeitung dieser schwierigen Zeit
Es fällt mir schwer darüber zu schreiben, weiß ich aber doch, dass ich nicht der oder die einzige bin, die in den letzten zwei Jahren sich viele Gedanken gemacht hat. Die letzten Tage waren insofern schlimmer, als dass ich mir nun eingestehen muss, dass manches doch mir näher geht, als ursprünglich gedacht. Dass einst fest zementierte Glaubensfundamente doch brüchig werden können, dass diese Pandemie an uns allen nagt und nicht alle weder die Stärke noch die Resilienz haben, nicht doch anfällig für Gedankengut zu werden, von denen man vorher glaubte, nie diskutieren zu müssen.
Ja, der kleine Bruder des Glaubens ist der Zweifel. Doch bei Fakten war doch nie die Rede davon, diese irgendwie in Zweifel ziehen zu müssen. Denn was zählt, ist Wissenschaft, wissenschaftliches Arbeiten, Quellenarbeit, Analyse und Prüfung. Wenn dann noch etwas unklar ist, wird der Prozess von vorne begonnen. In der Informationstechnologie heißt es PDCA für Plan Do Check Act, ein Zyklus, der alle Schritte inkl. Überprüfung und Korrektur beinhaltet. Denn es ist ein Prozess. Wissen ist ein Prozess. Im Gegensatz zu Mathematik, Physik und Schwerkraft.
Zwei lange Jahre
Heute vor zwei Jahren wurde am 27.01.2020 bei Beschäftigten eines Starnberger Betriebs das erste Mal in Deutschland eine Infektion durch das COV-19 Virus festgestellt. Ich kann mich noch gut an die Bahnfahrt erinnern, bei der ein Fahrgast eine OP-Maske für seinen Eigenschutz trug, und ich, irgendwie befremdet nur einen Witz darüber machen konnte. Dies ging mir noch viele Monate durch den Kopf, zusammen mit dem Eingeständnis, dass meine damalige Einschätzung grundlegend falsch war, dass dies kein Witz war, sondern tatsächlich der erstmal einzige Weg, nicht selbst zu erkranken.
Ein paar Wochen später war auch politisch besprochen, dass Abstand, Maske, Händewaschen und letzten Endes auch ein Lockdown die einzige Chance waren, aus dem Geschehen halbwegs wieder herauszukommen. Mit wirtschaftlichem Schaden, mit psychischem Knacks und etlichen Kilos mehr auf der Hüfte. Es gab das letzte Meeting mit Kolleg*innen, das letzte Offsite, die letzte Fahrt in die Arbeit, das letzte gemeinsame überfamiliäre Essen, der letzte analoge Schultag.
Was folgte, war dann eine wohltuende Stille auf der Straße, die Aufnahme einer Trainingsroutine mit Laufen um den Block, binge watching am Abend, Schlabberlook von morgens bis abends, plündern des Vorratsschrankes und leeren Toilettenpapierregalen im Supermarkt. Und immer wieder die Erkenntnis, dass dieser Zustand länger andauern wird. Schon damals war mir klar, der nette Artikel aus der SZ über die historische Analyse von Pandemien beschrieb dies, dass der Ausnahmezustand so zwei bis drei Jahre dauern würde. Nicht Wellen würden die einzelnen Ländern treffen, sondern Ausbrüche und Infektionsherde. Ischgl lässt grüßen. Oder Tonga. Zwei Gegensätze, dennoch heute hart getroffen von Katastrophen.
Plötzlich waren die Bilder aus Italien überall, Militärlaster transportieren Unmengen an Särgen, die Todesfälle in den bayrischen Seniorenheimen, die Berichte über sich füllende Krankenhäuser. Es kam die Erkenntnis, zusätzlich zum Zeithorizont, dass jetzt der Zeitpunkt war, die Familie zu schützen. Es wurden Tagesmasken genäht, die Hände desinfiziert, der soziale Kontakt so eingeschränkt, dass es unerträglich wurde, Filme zu sehen, wo mehr als 3 Personen sich auf engem Raum befanden. Ich hatte auch meinen eigenen Schaden jetzt davongetragen. Der heranbrechende Sommer sollte jetzt 2020 doch mal eine Veränderung bringen … doch dann kamen die Lockerungen, die Fußballspiele, die Demozüge gegen Coronamaßnahmen, die steigenden Fallzahlen, der neue Ausbruch, die Delta-Variante, der Winter, der Teil-Lockdown und irgendwo da war meine Energie zur Neige gegangen, noch etwas über den Tellerrand hinauszublicken, um auch noch ein Auge auf die zu haben, die mehr litten. Mehr litten, weil sie unfähig waren, den Strohhalm der Wissenschaft zu ergreifen. Sich überzeugen zu lassen, dabei etwas auch zu wagen, was anfangs Tausende, später Millionen taten: Vertrauen weiterhin in Wissenschaft und Politik zu setzen, dass dies der richtige Weg ist. Schützen und Impfen. Sich selbst und andere, die aus irgend einem Grund es nicht so gut können.
Handeln, nicht abwarten
Ja, es ist eine komplexe Situation. Ja, niemand ist unfehlbar und allwissend. Darum ist es wichtig, zu handeln: Keinen Millimeter den Rechten geben, Aufklärung machen, diejenigen überzeugen, welche dafür empfänglich sind, Schwache schützen und Maske tragen, Kontakte vermindern und Impfen, Boostern und Hoffnung auf ein Danach verbreiten.
Bleibt gesund und geht nicht verloren!
Update am 04.02.2022: Tatsächlich ist nicht die Pandemie derjenige, welche hier Spaltung betreibt. Dem Virus sind Menschen egal. Es ist der Mensch selbst, der sich hier verliert. Ich kann inzwischen nachvollziehen, was im Mittelalter für Panik, Aggression, Machtstreben und damit verbundenes Leid sich durch Menschen entwickelt hat, wenn mal die Pest, oder eine Hungersnot wegen schlechtem Wetter, an die Türe geklopft hat.